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Ode an ein Hundeleben

  • Autorenbild: Dirk_Carolus
    Dirk_Carolus
  • 8. Juli 2022
  • 3 Min. Lesezeit

Schweißgebadet aufgewacht. Mitten in der Nacht.

Alp geträumt. Von langsam brechenden, braunen Hundeaugen.

 

Raus aus dem Bett – benebelt am Türpfosten abgeprallt und die gesamte Lightshow im Wohnzimmer binnen Sekunden auf volle Leistung gebracht.

 

SAM macht müde die Klüsen auf, gähnt herzhaft und kuschelt sich wieder in seine Mulde:

„Alter – noch ganz frisch? Mach Licht aus, du Pfosten!“

Dieser Traum beschäftigt mich nun schon einige Tage. Die Schwellung vom heftigen Kontakt mit dem Türpfosten schwillt langsam ab.

 

Hundebesitzer oder Lebenspartner.

 Ich hole mal ein klein wenig weiter aus.

Mein ganzes Leben wurde durch Hunde bestimmt. Jeder Hund war – naturgemäß – der beste Hund. Ich persönlich empfinde den Begriff Hundebesitzer als typisches Amtsdeutsch. Fast als Beleidigung. Leute wie wir, die über Jahrzehnte mit Hunden das Leben teilen, sind keine Besitzer. Wir sind Lebenspartner.


Hundebesitzer sind für mich die Typen (geschlechtlich keinerlei Differenzierung), die ihren Hund auf den Arm nehmen oder fast geprügelt die Straßenseite wechseln, wenn ein größerer Hund entgegenkommt.

 Hundebesitzer sehen im Hund oft den Kindersatz.

Oder – noch schlimmer – ein Spielzeug für die Kinder.

Hundebesitzer müssen, auf klare Nachfrage nach dem Geschlecht ihres Hundes, vielfach erst mal unter dessen Bauch gucken.

Hundebesitzer schreien ihr Tier an und reißen an der Leine:

„… das sollst du doch nicht tun! Pfui! Aus! Pfui … hörst du? Wie oft muss ich dir das noch sagen? Aus! Aus jetzt!“

Hundebesitzer sagen auch gern:

„Kleiner Hund – kurze Beine = kurze Runde. Braucht nicht viel Auslauf!“

Hundebesitzer zahlen artig die Steuer und sind bei TASSO angemeldet, falls das Tier mal wegläuft.

 

Hallo Hundebesitzer:

Ein gleichwertig erzogener und akzeptierter Lebenspartner läuft nicht einfach weg.

Der muss auch nicht angeschrien werden.

Er versteht durch Zeichen, Gesten oder kurze klare Ansagen, was Sache ist.

Dieser Partner diskutiert nicht.

Dieser Partner weiß, dass es jetzt richtig und – vor allem – jetzt notwendig ist.

Auch ohne fettige Leckerlis.

Hunde haben kein Wetterempfinden.

Auch Hunde mit kurzen Beinen müssen und sollten ausgiebig beschäftigt werden.

Auch Hunde haben ein geschlechtsspezifisches Verhalten.

Und kleine Hunde haben nicht von Haus aus Angst vor großen Hunden.

Für all die zuvor beschriebenen Fehler (und noch etliche mehr) sorgst allein du als Hundebesitzer.

 

Zurück zum Hundeleben

Jeden meiner Hunde habe ich als Welpen in Empfang genommen. Mit jedem meiner Hunde habe ich fast alles geteilt. Bei jedem meiner Hunde wusste ich – mit jedem weiteren mehr – dass die ersten 3 bis 6 Monate dem Spiel- und Erkundungstrieb gehören.

Die nächsten 8 bis 12 Monate: spielerisches Lernen, gezieltes Training, Grundkommandos.

Zwischendurch kommen die berüchtigten Flegelzeiten (7 bis 14 Monate) – dann ist sprichwörtlich Ruhe im Karton. Ein Hund, der liebevolle Führung hatte, diese Führung kennt und sie tagtäglich erfährt, verlernt nichts mehr. Ein Hund überlegt nicht – ein Hund weiß.

 

SAM – 15 Jahre, 44 kg und immer an meiner Seite

SAM hat nun knapp 15 Jahre mit mir verbracht. Diverse Trennungen, Scheidungen, Existenzverluste und damit Ortswechsel miterlebt. Er war vor meiner Krankheit, während und danach an meiner Seite. Er hat ein Leben im Luxus, im Auto, in Baracken und anderen kurzweiligen Unterkünften mit mir geteilt. Wir sind gemeinsam in Luxus-Restaurants zum Diner gegangen und haben uns auch Hundefutter aus der Dose brüderlich geteilt.

 

Radtouren über Hunderte Kilometer ohne störende Leine – werde ich nie vergessen. Er war und ist immer da. Egal, was in meinem Leben gerade passierte. Dieses Tier ist – wie alle vorher – der Inbegriff von Loyalität und Zuversicht. Und ja, ich schließe hier auch meine Katzen mit ein!

 

Langsamer Abschied

Im Gegensatz zu allen Hunden davor (Krebs, Unfall) habe ich diesmal das Privileg, meinen Partner bis an sein Ende begleiten zu dürfen. Ich kann mich darauf vorbereiten. Und ich kann alles tun, um diese immense Kraft, dieses Vertrauen, das mir dieses Tier über Jahre gegeben hat, zumindest im Ansatz zurückzuzahlen. Für einen so großen Kerl sind 15 Hundejahre eine echte Nummer.

 Sein Krebs (unheilbar) wird langsam, aber sicher schlimmer. Wir brauchen einen Tragegurt für die Treppen. Ohne Rampe kommt er nicht mehr ins Auto. Spielen? Viel zu anstrengend.

 

Aber:

Er ist immer da. Immer aufgeweckt. Immer in meiner Nähe.

Den Umzug ins neue Lager hat er ohne Wenn und Aber weggesteckt.

Neugierig wie immer durchstreift er langsam alle Hallen.

Er spürt, ob es mir gut oder schlecht geht. Er hört immer noch auf kurze Zeichen.

Und er hat nie schlechte Laune. Er ist einfach ein weiterer geiler, verlässlicher Partner.


Und ich werde auch bei ihm sein, wenn es soweit ist.

Wenn die Iris bricht. Das bin ich diesem Partner schuldig.

 

Tenor:

Liebe. Vertrauen. Führung. Verständnis. Respekt.

Jedes Lebewesen hat einen natürlichen Anspruch darauf.

Egal welche Spezies, welche Rasse, welches Geschlecht, welche Religion.


Also: Zeigt es. Jeden verdammten Tag.

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